Elsbeth Lenné



24.10.1899 in Halle geboren.

Nach dem Besuch der Grundschule der Franckeschen Stiftung 
(sie nannte es Kindergerfängnis!) brachte ihr das Lyzeum
deutlich mehr Freude und Förderung ihres künstlerischen Talents
und sie erhielt 1917 dort ihr Reifezeugnis.

Sie hatte offenbar das Glück,
in einer zu damaliger Zeit sehr liberalen Familie aufzuwachsen.
So konnte sie als zehnjähriges Mädchen die Freischwimmerprüfung 
ablegen, als Jugendliche kurze Haare tragen 
und ihren Studienwünschen
an der Halleschen Handwerker-und Kunstgewerbeschule 
stand auch niemand im Weg.

Im Gegenteil: ihr Vater (Prokurist) zeichnete selbst gern und ihre Mutter 
war geschickt im Nähen und so wurde ihre Freude 
am eigenen Tun frühzeitig geweckt.

Acht Semester verbrachte sie an der Kunstgewerbeschule.
In der Malklasse von Maler Jolas erlernte sie 
sowohl Freihand- als auch auch Entwurfszeichnen. 
Mit dem Maler Heinrich Kopp gab es Zoobesuche 
und Tierzeichnen, was sie auch später noch sehr geliebt hat.

Zum Glück ist mir ein altes Zeichenheft von 1918 erhalten geblieben 
so dass ich es hier bereits zeigen konnte.

Ab 3. Semester war sie Schülerin der Wienerin Maria Liekartz.
Linolschnitt, Stoffdruck und weitere Techniken.
Abendkurse in Aktzeichnen und plastischer Anatomie
bei Prof. Eisler und Kunstgeschichte bei Prof. Hagen
gaben ihr weiteres Wissen und Fertigkeiten.

Ein Lehrgang in Schriftgestaltung sicherte ihr schon 1919 
ihren ersten Auftrag: die Beschriftung der Exponate 
im neu erbauten Museum für Ur-und Frühgeschichte.

Weiter dort arbeiten wollte sie jedoch nicht - ihr Traum
war das Erlernen der Techniken des Emaillierens.
Diesem widmete sie sich mit Begeisterung und sie begab sich
 zwecks weiterer Ausbildung in die Metallwerkstatt.



1921 heiratete sie ihren dortigen Lehrmeister, Erich Lenné 
und damit war der Grundstein für eine gemeinsame Werkstatt gelegt.

Ab 1922 arbeiteten sie gemeinsam freischaffend in Halle.



1927 kam Tochter Dari zur Welt und damit gab es erst einmal
eine kleine Schaffenspause. 



Sobald es ging, wurde das Kind aber mit in die Werkstatt genommen 
und sie widmete sich mehr und mehr der Emaillearbeit.




Erst mit einem kleinen Brennofen für Schmuckstücke,
 später kamen zwei Grosse dazu. 
Damit wurden Schalen, Gefässe und auch grösserformatiger 
Wandschmuck möglich.
Sowohl Steg-Email als auch freie Emailmalerei 
waren ihre Stärke.

1935 bis 45 fertigte sie z.B. den jährlichen Sonderpreis
 für den Halleschen Rennverein.

Gemeinsam mit ihrem Gefährten bildete sie zahlreiche
angehende Kunsthandwerker*innen aus,
u.a. auch ihre Tochter und so führten sie die Werkstatt 
später fünfzehn Jahre lang zu dritt.

 
Zu ihren fruchtbarsten Zeiten gehörten die Studien, 
die sie im Stahlwerk Thale, in der Eisengiesserei Halle 
und an den Hochöfen in Mansfeld unternehmen durfte.
Für die Umsetzung dieser Motive war das in leuchtenden
Farben  aufgeschmolzene Email einfach das beste Medium.
Fast alle dieser Arbeiten wurden ausgestellt und verkauft.




Leider wurden bereits in den Fünfzigern erste Anzeichen
von Sehschwäche deutlich, die einen erschreckend raschen 
Fortgang nahm und dazu kam 1962 
eine schwere Herzkrankheit.
Das setze ihrem späteren Schaffen immer engere Grenzen.



 Ab ca. 1970 waren Emailarbeiten kaum noch möglich.
Sie hatte ja hunderte Nummern der Emaillefarben im Kopf, 
versuchte noch rein nach Gefühl zu arbeiten,
bog sich Drähte zurecht und ich habe ihr oft 
die Gläser mit dem Emaillefarben herausgesucht und zurechtgestellt.
Aber bald vollblind, ging auch das nicht mehr.

Sie verlegte sich mehr und mehr auf Bildweberei, 
die sie rein nach Gefühl und nur durch Farbbeschreibung 
durch Dritte ausführte.

Nach dem Tod ihres Gefährten im März 1987
brach ihre schwerste Zeit an - die beiden
waren doch im Alltag immer ein super Team und hatten ihre
Strategien in Alltag und Haushalt.
Sie war blind und er am Ende völlig taub, 
aber gemeinsam ging fast alles!



  Nach seinem Tod ging dann aber nichts mehr 
und am 19.2.1988 folgte sie ihm nach.

*

Ich habe meine Grosseltern beide in sehr schöner Erinnerung,
war als Kind gern und oft bei ihnen
und habe dort viel Liebe und Zuwendung bekommen.
Auch ihr unaufgeregter und niemals dogmatischer Sinn 
für Ordnung und Struktur hat mir sehr gut getan.

Leider habe ich weder die nötige Kraft zur Bearbeitung von Metall 
noch das umumgängliche Geschick für Goldschmiede-und Emailarbeit
geerbt und konnte die Werkstatt selbst nicht fortführen.
Ich hatte sogar noch versucht,
bei meiner blinden Oma etwas "in die Lehre zu gehen" 
und einige ihrer unvollendeten Stücke ferig zu stellen.
Der Erfolg war mehr als zweifelhaft.